„Welche Ernährung ist die gesündeste?“ ist eine Frage, die ich mir nicht nur als Ernährungswissenschaftler und -berater stelle, sondern auch einfach so.
„Was kann ich essen, um wirklich das Beste aus meine Körper herauszuholen?“ wäre eine andere Formulierung. Was in diesem Kontext „gesund“ heißt, muss jeder für sich selbst beantworten. Für die absolut pauschale Frage gibt es nun verschiedene Möglichkeiten, um auf eine Antwort zu kommen. Man könnte:
Die Meinung der Leute darüber was wirklich gesund ist, geht in vielen Bereichen auseinander und in vielen Bereichen ist man sich einig. Man sollte vermutlich:
Wie oft und in welcher Menge man jedoch was essen sollte, darüber besteht schon absolute Uneinigkeit. Wie viel Fleisch, Milch und Eier noch gesund sind, wie wenig Fett es sein darf, ob Kohlenhydrate von Gott gegeben oder vom Teufel als Verlockung und Sünde angeboten werden, darüber scheiden sich die (allgemeinen) Geister. Die wissenschaftliche Literatur ist sich da erstaunlicherweise relativ einig.
Eine dieser Bevölkerungsgruppen sind beispielsweise die japanischen Einwohner der Inselgruppe Okinawa vor dem zweiten Weltkrieg. Ein Team aus amerikanischen und japanischen Forschern1 hat die Gesundheit und den Lebensstil dieser bemerkenswerten Bevölkerungsgruppe untersucht, die die höchste Lebenserwartung innerhalb Japans hat(te). Die durchschnittliche Frau aus Okinawa lebt 86 Jahre und selbst die Männer leben im Durchschnitt 78 Jahre2. Im Vergleich dazu leben die deutschen Frauen und Männer erwartungsgemäß durchschnittlich 82 und 77 Jahre3. Gleichzeitig haben die Einwohner Okinawas ein sehr niedriges Risiko an Zivilisationskrankheiten zu erkranken: im Vergleich zu Amerika ist in Okinawa die Wahrscheinlichkeit an Darmkrebs zu sterben 2,5-fach so niedrig, für Lymph-Knoten-Tumore 4,4-fach so niedrig, für Brustkrebs 5,5-fach so niedrig, für Herz-Kreislauf-Erkrankungen etwa 6-fach so niedrig und für Prostatakrebs etwa 7-fach so niedrig1,5. Was essen diese gesunden Japaner denn?
Nahrungsmittelpyramide der Okinawa-Japaner1,5
Das klingt ja absolut machbar, oder? Fast, denn die Japaner treiben es auf die Spitze (beziehungsweise dieser Grafik entsprechend auf das Fundament). Die Dinge an der Spitze werden fast absolut nicht gegessen. Und was essen sie hauptsächlich?
Sie beziehen 85 % ihrer Nahrungsenergie aus Kohlenhydraten (also Stärke und Zucker), 9 % aus Eiweiß und mickrige 6 % aus Fett. Hätten sie zu ihrer normalen Ernährung noch täglich 1 EL „gesundes Olivenöl“ gegessen, wären sie übrigens gleich bei 12 % Kalorien aus Fett gelandet. Ein Esslöffel kann so krasse Unterschiede bewirken, weil Fett so energiedicht ist. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung gibt übrigens eine Obergrenze für Energie aus Fett von 30 % an4 und schweigt über eine Untergrenze. Tatsächlich liegt Der Deutsche bei 36 % der Energie aus Fett und Die Deutsche bei 34 %10.
Diese extremen Nährwertverteilungen erreichen die Japaner vor allem durch zwei Lebensmittel: Süßkartoffeln und Reis. 69 % ihrer gesamten Energie essen sie in Form von Süßkartoffeln und Reis liefert weitere 12 %5. Sie haben aber auch nur durchschnittlich 1.785 Kalorien täglich zu sich genommen.
Ist es denn wirklich gesund über 80 % der Ernährung aus zwei Lebensmitteln zu ziehen? Scheinbar ja, wenn diese Lebensmittel vollwertig und pflanzlich sind. Aber wie sieht es im Vergleich aus?
Diese Frage hat sich eine Forschergruppe aus Belgien und Frankreich vor zwei Jahren gestellt und anschließend beantwortet. Nicht aus dem Bauch heraus geschossen, sondern wissenschaftlich analysiert und an Kriterienkatalogen orientiert6. Sie haben 1.475 Personen untersucht, die sich vegan (keine tierischen Produkte), vegetarisch (weder Fleisch, noch Fisch), semi-vegetarisch (rotes Fleisch, Geflügel und Hähnchen seltener als 1x pro Woche), pesco-vegetarisch (kein Fleisch, aber Fisch) und omnivor (Fleisch und Fisch nahezu täglich) ernährt haben. Die Ernährung dieser Menschen haben sie anhand zweier Indices bewertet.
Einer der beiden Indices war der sogenannte „Healthy Eating Index“6 (HEI-2010), der bewertet wie sehr eine Ernährungsform die Richtlinien der „United States Department of Agriculture Food Guide Pyramid“7 erfüllt. In Deutschland würde das in etwa den „Referenzwerten für die Nährstoffzufuhr“ der Deutschen Gesellschaft für Ernährung8 entsprechen.
Der andere Index, der zur Bewertung herangezogen wurde, war der sogenannte „Mediterranean Diet Score“9. Dieser Index vergleicht die untersuchte Ernährungsform mit der „Mittelmeer Ernährung“, die unter anderem durch viel Vollwertgetreideprodukte, Obst, Gemüse, Kartoffeln, Hülsenfrüchte, sowie geringen Verzehr von Fleisch und Milchprodukten gekennzeichnet ist.
Einige spannende Vorabinformationen über die verschiedenen Ernährungsarten findet ihr in den folgenden Diagrammen:
Verteilung der Ernährungsformen in Prozent6
BMI-Verteilung innerhalb der Ernährungsformen in Prozent6
Wir können also sehen, dass in der Gruppe der Veganer relativ gesehen am meisten Normalgewichtige (78,8 %) zu finden sind. Die meisten Untergewichtigen (8,7 %) sind ebenfalls bei den Veganern zu finden. Die meisten Übergewichtigen (20,6 %) und Fettleibigen (8,4 %) sind bei der Ernährungsgruppe zu finden, die die größte Abwechslung in Ihrer Ernährung haben sollte und auf nichts verzichtet (omnivor). Das heißt in dieser Studie ist jeder 4. alles-essende Mensch übergewichtig oder fettleibig! Die Veganer sind sehr selten übergewichtig (10,6 %) und noch seltener adipös (1,9 %). Zumindest was das Gewicht angeht, scheinen Veganer also das gesündeste Gewicht zu haben. Aber wie sieht es mit Vitaminen, Mineralstoffen und der Gesamtqualität der Ernährung aus?
Healthy Eating Index 2010 Punktezahl nach Ernährungsform6
Mediterranean Diet Score nach Ernährungsform6
Wie ihr sehen könnt, ist nach beiden Ernährungsindices die vegane Ernährung die gesündeste. Nicht nur das: man kann sogar sehen, dass die omnivore Ernährung konsequent diejenige ist, die am wenigsten an gesunde Ernährungsvorbilder heranreichen kann. Wie kann das sein?
Nun, viel geht von der Nährstoffdichte aus. Während Milchprodukte reich an Kalzium und Fleisch reich an Eisen und Eiweiß ist, sind beide Produkte fast vollkommen vitaminfrei und liefern absolut keine Ballaststoffe. Ballaststoffe und Vitamine sind aber Teil einer jeden gesunden Ernährungsform und den eigenen Kalorienbedarf nicht zu überschreiten, wenn man vitaminfreie Nahrung zu sich nimmt, ist sehr schwer (siehe Gewichtsverteilung oben).
Die einfachste Art und Weise sich gesund zu ernähren ist also (auch wissenschaftlich betrachtet!) eine vegane Ernährung. Ich persönlich würde nur noch ergänzen, auf die richtigen Nahrungsergänzungsmittel zurückzugreifen, um unsere magere Sonneneinstrahlung (Vitamin D Mangel) und unsere überaus sterilen Lebensmittel (Vitamin B12 Mangel) auszugleichen. Das würde ich auch nicht-Veganern dringendst anraten. Empfehlungen hierzu findet ihr auf unserer Ressourcen-Seite.
2: https://de.wikipedia.org/wiki/Pr%C3%A4fektur_Okinawa, letzter Zugriff am 16.05.2016
3: https://de.wikipedia.org/wiki/Lebenserwartung, letzter Zugriff am 16.05.2016
4: https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/fett/, letzter Zugriff am 16.05.2016
7: http://www.cnpp.usda.gov/FGP, letzter Zugriff am 16.05.2016
8: https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/, letzter Zugriff am 16.05.2016
10: https://www.dge.de/uploads/media/DGE-Pressemeldung-aktuell-04-2015-fett-ll.pdf, letzter Zugriff am 03.07.2016.
4 Kommentare
Grossartiger Blogartikel!
Dankeschön, Daniel! 🙂
Super Beitrag, kurz und knackig zusammen gefasst was wichtig ist!
Danke dir! 🙂